Last updated on September 13th, 2023 at 01:50 p.m.
Streifzug durch das historische Zentrum von Bergerac und Fahrt mit der Gabarre auf der Dordogne
Wind und Regenschauer wetteifern an diesem Septembertag mit etwas Sonnenschein. Im Hafen von Bergerac gehen wir an Bord einer so genannten «Gabarre»: ein Flachboden-Transportkahn, in dessen Bauch einst regionale Produkte wie Wein, Tabak und Pflastersteine auf der Dordogne in Richtung Bordeaux transportiert wurden.

Mit mir an Bord gehen Isabelle und Oliver. Isabelle ist Sprachlehrerin und Oliver besucht bei ihr einen Französisch-Intensivkurs nach der Immersionsmethode: das bedeutet während 2 Wochen intensiver Privatunterricht in Kombination mit Exkursionen und Teilnahme am französischen Alltag.
Dabei eine andere Sprache als Französisch zu sprechen ist nicht erwünscht. Und daran halten wir uns, auch wenn die Versuchung mit Oliver Deutsch zu sprechen groß ist, da seine Muttersprache ebenfalls Deutsch ist. 😉
Während der Wind übers Wasser fegt und die Wolkentürme in stets neuen Formationen vor uns auf- und umbaut, tauchen wir mit der Fremdenführerin der «Gabarre» in die Geschichte von Bergerac und des Périgord ein.
Englische Herrschaft
Ab dem 12. Jahrhundert befand sich der Südwesten Frankreichs während 300 Jahren unter englischer Herrschaft. Während des 100-jährigen Krieges (1337 bis 1453) markierte die Dordogne die stark umkämpfte Grenze in dem anglo-französischen Konflikt. Die «1.001 Schlösser» des Périgord sowie die vielen Bastiden (befestigte Dörfer) und romanischen Kirchen (meist ebenfalls befestigt) sind Zeugen aus jener Zeit.

Beispiel einer befestigen Bastide: Eymet (20 km südlich von Bergerac).
Zollfreie Ausfuhr von Wein nach England
Im 13. Jahrhundert stand Bergerac unter englischer Herrschaft. So erhielt die Stadt attraktive Privilegien und durfte sie beispielsweise Zölle auf Güter erheben, die auf der Dordogne transportiert wurden. Zugleich blieb Bergerac bis ins 16. Jahrhundert das Recht auf eine zollfreie Ausfuhr des eigenen Weins nach England erhalten.
Handelsbeziehungen mit den Niederlanden
Im Zuge der Religionskriege flüchteten viele Protestanten aus Bergerac nach Flandern und in die Niederlande. Auf diese Weise konnte die Stadt ihre Handelsbeziehungen mit den Niederlanden ausbauen. Süßweine waren dort besonders gefragt. Dies ist neben den geologischen und klimatischen Voraussetzungen mit ein Grund, weshalb in der Region Bergerac traditionsgemäß viel Süßwein produziert wird.
Weinanbau
In der gallo-römischen Zeit wurde in der Region Bergerac erstmals Wein angebaut.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Weinanbaugebiet von Bergerac rund 24.000 Hektar groß, also doppelt so groß wie heute.
In der Zeit zwischen 1876 und 1883 zerstörte die Reblaus die Reben im gesamten Périgord nahezu komplett. Bereits 1896 wurden in der Region Bergerac jedoch wieder Weinreben gepflanzt, die gegen die Reblaus resistent waren. Dies gilt nicht für andere Regionen des Périgords, wo kein Wein mehr angebaut wurde und die Reblauskrise deshalb zu einer verstärkten Abwanderung führte.

Tabak in Bergerac und dem Périgord
Einst spielte auch der Tabakanbau wirtschaftlich eine wichtige Rolle für die Region Bergerac und das Périgord. Ab 2015 schlossen jedoch wichtige Tabakfabriken und 2020 befanden sich im gesamten Périgord nur gerade noch 85 Tabakbauern, während es einst deren 12.000 waren! Möchtest du mehr über den Tabakanbau im Périgord erfahren? Dann lohnt sich unbedingt ein Besuch im Tabakmuseum in Bergerac. Weitere Infos zur Rolle des Tabaks im Périgord und in Frankreich findest du auch in einem sehr informativen Artikel von Hilke Mauder auf meinfrankreich.com, den sie anlässlich eines Besuchs im Tabakmuseum von Bergerac geschrieben hat.
QuaiCyrano – Fremdenverkehrsamt und Weinverkostung
Wir verlassen die «Gabarre» am «Quai Salvette», wo sich einst das mittelalterliche Bergerac um den Hafen schmiegte. Gegenüber dem Hafenquai befindet sich das Quai de Cyrano: Ein modernes Gebäude auf den historischen Gemäuern des ehemaligen Schlosses von Bergerac. Dieses fiel 1615 einer Flut zum Opfer. Heute befindet sich im Quai de Cyrano das Fremendenverkehrsbüro und im ersten Stock gibt es eine Weinbar mit Verkostungsmöglichkeiten.
Nachdem wir im Erdgeschoß den Folder für den Altstadt-Rundgang erfragt haben gelangen wir über eine Treppe in den ersten Stock, wo uns viele Vertreter von Weingütern in Flaschenform aufwarten. Die Weinbar lädt zur Verkostung ein und bei schönem Wetter kann man es sich auf der großzügigen Dachterrasse mit Blick auf die Dordogne gemütlich machen.

Kreuzgang des ehemaligen Rekollettenklosters
Vom Verkostungsraum gelangen wir in den so genannten Cloître de Récollets: einen ehemaligen Klosterkreuzgang, der 1621 unter dem katholischen König Ludwig XIII. auf den Überresten der mittelalterlichen Schlossgärten erbaut wurde.
Steine des einstigen Schlosses und der Stadtmauer wurden für die Konstruktion des Rekollekten-Klosters verwendet. Ziel des Klosteres war die Bekehrung der protestantischen Bevölkerung zum Katholizismus. Pikantes Detail: Nach der Französischen Revolution wurden die Rekollektenbrüder vertrieben und ihr Kloster verkauft – wohlverstanden an die Protestanten!


Cyrano de Bergerac
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite umgeben uns auf dem Place de la Mirpe schöne mittelalterliche Fachwerkhäuser, während Cyrano de Bergerac im Schatten der Kastanienbäume seine lange Nase in die Luft streckt.
Cyrano de Bergerac hieß eigentlich Hector Savinien de Cyrano und war ein französischer Schriftsteller aus Paris, der als Vorläufer der Aufklärung gilt (1619 bis 1655). Sein Leben inspirierte den französischen Theaterschriftsteller Edmond Rostand 1897 zur heroischen Theaterkomödie Cyrano de Bergerac, die das Publikum weit über die Grenzen Frankreichs hinaus in ihren Bann zog.


Auf dem Place Pélissière begegnen wir der zweiten Cyrano-Version, diesmal in Bronze, und aufschauend zum Turm der Eglise Saint Jacques, einer katholischen Kirche aus dem 16. Jahrhundert.

Wir schlendern weiter durch die Gassen von Bergerac bis zur überdeckten Markthalle (Marché Couvert). Diese wird jedoch zurzeit (September 2022) gerade renoviert und einige der Lebensmittelanbieter sind in provisorischen Unterkünften auf dem Place Louis de la Bardonnie untergebracht. Die Auslage am Käsestand ist zu verführerisch, um links liegen zu lassen und Oliver kauft sich einen kräftigen Camambert. .

Geschäfte flankieren unseren Spaziergang bis hin zum Place de Lattre de Tassigny. Hier drängen sich Autos um die üppig bepflanzten Blumenbeete und auf dem Platz stehen Menschen vor einem Stand mit handgemachtem Brot aus Molières Schlange. Nachdem wir unsere Einkaufsbeutel mit urchigem Sauerteigbrot und saftigen Williams-Birnen gefüllt haben, gehen wir ein Stück weit der rue de la Résistance entlang. Hier reihen sich Vertreter der bekannten Ladenketten.
Wir biegen in die nächste schmale Straße nach rechts ab und gelangen wieder in die schmucken, engen Gassen der Altstadt.


Links im Bild das Maison de Peyrarède, das auch als Château Henri IV bezeichnet wird. Es wurde um 1600 für eine reiche Kaufmannsfamilie erbaut und beherbergt heute auch das Musée du Tabac.
Praktische Informationen auf einen Blick: Fremdenverkehrszentrale Bergerac Quai Cyrano – Espace Vin 1 rue des Récollets 24100 BERGERAC Website: www.quai-cyrano.comAuf der Website findest du touristische Informationen und einen Veranstaltungskalender für die Region Bergerac und das Périgord Pourpre. Und vor Ort gibt es diverses Infomaterial und auch Wanderkarten für die Region.
Tipp zum Radfahren:
Fährst du gerne Rad? Dann lohnt sich unbedingt eine Fahrt auf der so genannten Voie Verte: dieser Radweg führt dich auf 37 km dem Ufer der Dordogne entlang von Bergerac bis nach Mauzac. Den Plan mit Beschreibung kannst du dir hier herunterladen.
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